"Gegen diesen Gegner darf man verlieren"

(Schwaig). Am neunten Zweitliga-Spieltag kam der Spitzenreiter, sah und siegte: Die Volleyballer des SV Schwaig mussten zwar – nach fünf Siegen in Serie – in ihre dritte Niederlage einwilligen, mit 2:3 (25:23, 25:27, 25:23, 20:25, 9:15). Doch das Heimduell gegen den TSV Grafing entpuppte sich nicht nur als Kräftemessen auf Augenhöhe, sondern auch als rasante und dramatische Angelegenheit.

In der mittelalterlichen Bildsprache steht die Farbe Gelb für den Neid und die Farbe Blau für das Himmlische. Irgendwo in der Mitte werden sich die gelbblau gewandeten Mannen von Milan Maric während und nach dem Spitzenspiel gegen den Tabellenführer gefühlt haben. Der TSV Grafing schließlich kam mit höchsten Empfehlungen an den Mittelbügweg; die Schwaiger selbst logierten auf dem dritten Tabellenplatz. Erster gegen Dritter also – das versprach nicht nur einen offenen, verbissenen Schlagabtausch am Netz, er war es auch. 305 Zuschauer staunten in der Gelben Halle immer wieder, welch artistische und kämpferische Leistung beide Teams aufs Parkett zauberten.

Das vorweg genommene, simple Fazit, so SVS-Trainer Maric hinterher, „wer heute mehr Fehler machte, verlor“. Und das waren zwar seine Schwaiger Jungs, diesmal, doch was sie den Fans zeigten, war aller Ehren wert. Nachdem sie im Auftaktsatz ab dem 11:13 zwei Punkte zurück lagen und bis zum 16:18 mehrfach diesem Abstand hinterherliefen, konnten sie sich ab dem 19:18 erstmals in Führung peitschen. Und die gaben die Gastgeber auch nicht mehr her –, zum 1:0 Satz-Vorsprung, eine bereits tolle Leistung gegen den starken TSV. Wie eine Wand standen die Fans entsprechend hinter ihrem SVS – darunter auch die Europa-Abgeordnete Marlene Mortler –, die grandiose Stimmung in der Halle trieb sie alle voran.

Im zweiten Satz setzte sich der gelbblaue Schwung fort, wenngleich die Gastgeber beim 8:11 erstmals mit drei und zum 11:17 hin sogar mehrmals mit sechs Punkten zurück lagen. Die Grafinger verwandelten sich in dieser Phase in selten gesehene, hurtige „Reflex-Maschinen“, die jeden abprallenden Ball noch irgendwie aus dem Rückraum löffelten. Das dramatische Hin und Her steigerte sich bis zu einem seltenen Gipfelpunkt am Mittelbügweg: Beim „Crunch-Time“-Rückstand von 20:24 gelang es dem SVS vor tosenden Zuschauern, nicht nur drei Satzbälle abzuwehren (zum 23:24), sondern zum 24:24 auszugleichen und – welch „Himmlisches“ – sogar mit 25:24 in Führung zu gehen. Bloß ein Aufschlagfehler beendete diesen außergewöhnlichen Höhenflug zum 25:25, woraufhin die Gäste ihre ganze Klasse zeigten und cool bis zum 25:27 „durchzogen“. Es stand 1:1 auf höchstem Zweitliganiveau, und da war er dann wohl doch ein bisschen, der „gelbe Neid“ angesichts der TSV-Konsequenz an diesem langen Abend.

Des Youngsters Mut wurde belohnt
Und was hätte aus dem Duell werden können, wenn die Schwaiger den zweiten Durchgang doch gewonnen hätten? Keiner weiß es. Im Satz Nummer drei jedenfalls konnten sich die Gelbblauen anfangs mit 6:2 absetzen, und erst zum 8:9 ließ sich ein Rückstand nicht mehr vermeiden. Der flinke TSV zauberte weiter eine stringente Leistung ans Netz. Immerhin, die Schwaiger hatten sich durch den Doch-Satz-Verlust zuvor nicht aus der Ruhe bringen lassen, auch nicht ihr Libero Yannick Klement, der vorbildlich eine souveräne, ruhige „Abwehrmitte“ bildete: Über 18:14 und 22:18 wendeten sie gemeinsam das Blatt abermals, gaben zwar noch zwei Satzbälle ab –, doch der erst 18-jährige Youngster im Team, Jan Kolakowski, nahm seinen Mut zusammen und schmetterte das 25:23 unter dem Jubel der Halle ins gegnerische Quadrat.

Auch in Satz vier tobte das Spitzenspiel, das seinen Namen verdient hatte. In diesem allerdings mussten die Franken – auch ihr erstmals gewählter „MVP“ Michal Dzierwa – dem enormen Tempo ein wenig Tribut zollen. Schnell lagen sie mit 12:15 hinten und vermochten sich über 14:17 und 15:20 aus der Grafinger Umklammerung nicht mehr zu befreien. Es stand 2:2, und zum dritten Mal in dieser Saison hatten die Gastgeber das Vergnügen eines fünften Satzes vor sich (bislang einen verloren, einen gewonnen).

Nicht mehr konsequent genug
Allerdings, auch oder gerade in diesem fehlten am Ende das Durchsetzungsvermögen und irgendwie auch die Kräfte: Über 2:5, 3:7 und 7:9 (darunter zwei Aufschlag-Asse) drehten die Grafinger auf und nach insgesamt 124 sagenhaften Minuten jubelnd ab. Mit verdientem 3:2 siegten sie in der Gelben Halle und behaupten ihren ersten Platz in der Ligarangliste.

Die Schwaiger indes konnten erhobenen Hauptes die Standing Ovations ihrer Fans entgegennehmen. „Gegen diesen Gegner darf man durchaus verlieren“, zollte Coach Maric den Gästen Respekt; es war – trotz der Niederlage, der dritten – eines der Heimspiele aus der hohen Kategorie „unvergesslich gelb“. Für den SVS geht’s jetzt am kommenden Samstag zum Tabellensechsten Delitzsch, bevor am 14. und 15. Dezember ein Doppelspieltag daheim gegen Frankfurt und Kriftel ansteht.