Nicht nur der vierte Satz war frustrierend

(Schwaig). Leere Halle, leere Gesichter. Die Zweitliga-Volleyballer des SV Schwaig mussten nach drei Siegen erstmals wieder eine Niederlage einstecken. Und die hatte es, auf ihre Art, in sich. Mit 1:3 (21:25, 25:15, 21:25, 23:25) verabschiedeten die geknickten Mannen von Milan Maric ihre Gäste Richtung Grafing. Der TSV, eine beschwingte Heimfahrt vor Augen, bejubelte seinerseits den dritten Auswärtssieg in Schwaig hintereinander.

Nach der mythischen Figur der Ariadne – siehe das 1:3-Heimspiel gegen Karlsruhe – fühlten sie die wenigen, mit der Organisation befassten Anwesenden in der Gelben Halle erneut an eine mythische Gestalt erinnert: Janus. Mit einem nervenaufreibenden Duell des Tabellendritten TSV beim vierten, dem SVS, hatte ohnehin jeder gerechnet: Denn arg dramatisch waren die vielen Matches gegen den, mittlerweile beinahe zum Heim-„Angstgegner“ aufgestiegenen TSV. Und ja, es wurde erneut ein Spiel, das viele, viele Fans verdient gehabt hätte. Bloß waren die, die am Samstag, 21. November, dabei sein durften, im Nachhinein restlos „bedient“. Zwar wurde Schwaigs Zuspieler Nikola Scerbakov zum dritten Mal in Folge als „MVP“ ausgezeichnet (das war in der vergangenen Saison nur „Peky“ Stanic gelungen, und 2016 Zuspieler Laurentio Vinaturo), doch trösten konnte das keinen, am wenigsten den Geehrten selbst.

Bereits im ersten Satz nämlich hatten sich die Gäste – dank starker Abwehr − durchsetzen können. Kein Mal konnte der SVS in Führung gehen; es war offensichtlich: Der TSV würde sich als echtes Kaliber erweisen und bestätigen, wie wohl sich das Grafinger Team seit jeher in der Mittelbügweg-Halle fühlt. Ob mit oder ohne Zuschauer. Der Einstiegs-Kampf war gleich heftig; das waren zwei Teams auf Augenhöhe, und vor allem in der Phase vom 13:17-Rückstand zum 16:17 zeigten die Gelbblauen ihre bewährte Stärke. Doch bereits in diesem Durchgang offenbarte sich die seltsame Janus-Köpfigkeit beider: Top-Szenen wechselten mit unerklärlichen Aussetzern, Fehlaufschlägen und nicht existenten Blocks, und das nicht nur in einzelnen Szenen, im Kleinen, sondern auch von Satz zu Satz, im Großen. Was folgte? Der TSV dominierte den ersten Abschnitt mit seiner starken Seite, um dann, man mochte es kaum glauben, im zweiten sang- und klanglos unterzugehen.

Nur im zweiten Satz zauberte der SVS
Anfangs mit fünf Punkten im Dauer-Vorsprung, wusste der SVS diesen beim 18:11 auf sieben, beim 20:13 auf sieben und beim 21:13 sogar auf acht Punkte auszubauen. Hier zeigte sich die bärenstärke Seite des SVS, Top-Einsätze von „Mike“ Dzierwa und „Peky“ Stanic inklusive. Janus meinte es gut mit ihnen, und das brillante 1:1 weckte die Hoffnung auf ein zügiges Weiter-so: Auf hohem Niveau zauberten die Schwaiger ein Feuerwerk ab; der TSV hatte dem im Prinzip nichts entgegenzusetzen. Es war deren schwache Janus-Seite und – rückblickend auf ihre Vehemenz zuvor − irgendwie unerklärlich.

Doch das SVS-Momentum hielt nicht lange: Wie abgeschnitten auf der einen Seite – der der Schwaiger −, wie reanimiert auf der anderen zogen die Grafinger im dritten Satz ihrerseits wieder von dannen. Über 4:6, 11:13, 16:20 und 19:23 lagen die Gastgeber permanent zurück. Es war ein Spielbild des ersten Viertels und beraubte die Franken der Vorstellung, dem TSV durch schiere „Anwesenheit“ beizukommen. Auch die Einwechslung eines starken Christian Schwabe konnte den Satz nicht mehr retten. Auf Weiß war Schwarz gefolgt, der SVS lag mit 1:2 zurück.

Und nun, Frust auf gelbblauer Seite? Konsterniertheit? Untergangsstimmung? Keineswegs; die Schwaiger rappelten sich erstaunlich schnell wieder auf, Janus kehrte erneut sein schönes Gesicht nach vorn: Die Spieler um Kapitän Florian Tafelmayer trumpften auf, als gäbe es kein Morgen. 5:0, 12:4 und 17:8 hießen die Zwischenstände im vierten Durchgang; das Hoch war im Großen und Ganzen genauso unerklärlich wie das Tief im Satz zuvor (was aus umgekehrter Sicht des TSV ebenso galt). Doch dann? Den 2:2-Satzausgleich vor Augen, den Tiebreak und immerhin zwei mögliche Tabellenpunkte, geschah, was nicht geschehen musste: Die Gäste, die mit 8:17(!) unaufholbar zurückgelegen hatten, legten eine fulminante Sechser-Serie zum 14:17 hin. Kamen zurück. Es ging in Folge Hin und Her, und mit einem Mal stand es, aus SVS-Sicht, „surreale“ 20:20. Der Schwaiger Block, der im dritten Satz wenig zur Stelle war, hielt den Angriffen des TSV zwar nun wieder Stand; doch das genügte nicht: Beim 20:21 lag der SVS zum ersten Mal „unfassbarerweise“ hinten, später beim 23:24 weiter. Die Grafinger Abwehr leistete Großartiges. Und dass der TSV-Matchball nach 95 Minuten dann auch noch als glücklicher Netzroller ins gelbblaue Feld plumpste, schien bezeichnend: Janus hatte sich – mal mit Glück hier, mal mit Pech dort – wankelmütig gezeigt.

Die Grafinger gewannen, nach unglaublicher Aufholjagd, absolut verdient und fair in der Gelben Halle. Für den SVS war es die vierte Niederlage mit einem überdies weiteren historischen Vorzeichen: Zum ersten Mal war ein Heimspiel in Echtzeit übertragen worden, über einen Livestream via sporttotal.tv. Von zwei Münchnern initiiert, die das Spitzenduell für die Zuschauer Daheim zu zweit fachmännisch kommentierten und das gesamte Spiel nunmehr in der Mediathek bereitstellen. Für die enttäuschten Schwaiger bedeutet das – noch nicht wirklich einzuordnende Wankel-Geschehen – „Krönchen richten“ und auswärts weitermachen. Am 5. Dezember folgt das letzte Heimspiel des Jahres, gegen Hammelburg, wohl wieder ohne anfeuernde Zuschauer.