Bitterer SVS-Sieg: „Und plötzlich liegt er am Boden“

(Schwaig). Ab 20.23 Uhr hätte das zwölfte Saisonspiel für die Zweitliga-Volleyballer des SV Schwaig gelaufen sein können – ein gellender Aufschrei, „und plötzlich“, so die geschockten Fans und Mitspieler, „liegt er am Boden“: Für den Kapitän des SVS, Christian Schwabe mit der Nummer 8, wird vorsichtshalber der Notarzt gerufen. Kurz nach dem Spiel, er ist vom Röntgen wieder zurück, wird sich seine Verletzung als veritabler Bänderriss herausstellen. Dass der SVS dieses erste Rückrunden-Duell am 10. Januar gegen den FT 1844 Freiburg mit einem Kraftakt trotzdem 3:2 gewinnt, gerät daher fast zur Nebensache. Und macht stolz auf das Team, erst recht.

14:25, 29:27, 25:23, 20:25 und 15:11 lauten die Satzergebnisse eines Matches, wie man es am Mittelbügweg lange nicht gesehen hat. Ohnehin, die Kulisse! Erstmals in der Vereinsgeschichte wurden über 300 Fans gezählt, 305 exakt: Zuschauerrekord!

Und dass die das längste Saisonspiel erleben würden (125 Minuten), einen Tiebreak, den sechsten Heimerfolg in Serie und eine fast fünfzehnminütige Unterbrechung im dritten Satz – der Verletzung „ihres“ Kapitäns geschuldet – konnten sie nicht ahnen. Am Schluss jedoch waren alle begeistert und erleichtert: Es war ein Spektakel, das alles an Volleyball bot, was möglich ist. Allein auf den Unfall hätte jeder gerne verzichtet; auch die Gäste aus Freiburg, die in einem fairen Spiel Paroli boten – und halfen, Schwabe erstzuversorgen.

Mühsamer Einstieg

Nun, nach der Weihnachtspause war abzuwarten, welches Team 2015 eher den Rhythmus wiederfinden würde; bei den Schwaiger stimmte anfangs die innere Balance noch nicht. Ein lockeres Vorbereitungsspiel tags zuvor gegen den Erstligisten VSG Coburg hatten sie mit 1:3 verloren. Und auch der Einsatz von Tim Rosenow – nach seiner Handverletzung erstmals seit zwei Monaten wieder dabei – konnte nicht verhindern, dass die Gastgeber über 1:5, 7:12, und 11:21 nur hinterherliefen. Zum vierten Mal hatten die Gelbblauen den Auftaktsatz abgeben müssen, ihr Ehrgeiz vor dieser tollen Kulisse war allerdings geweckt.

Im zweiten Durchgang entwickelte sich ein ungemein harter Kampf. Vor allem dem zu verdanken, dass die starken Breisgauer nicht nur sauber routiniert spielten, sondern mit einer stabilen Ballannahme immer wieder mächtig Gegenwehr aufbauten. 24:24 hieß es schließlich nach wildem Hin und Her; der SVS benötigte fünf Satzbälle über 25:24, 26:25, 27:26 und 28:26, bis endlich der erlösende Big Point gelang.

30 Minuten hatte der zweite Satz gedauert, doch der nächste sollte noch acht Minuten länger währen: Denn 2:1 steht es, als plötzlich ein markiger Schrei durch die Gelbe Halle schallt: Christian Schwabe, keiner war irgendwie Zeuge, war umgeknickt, wälzt sich an der Mittellinie. Entsetzen; noch nie in der höherklassigen Historie des SVS (seit 1967) war so etwas vorgekommen. Der Kapitän selbst war 22 Jahre lang von solch einer Blessur verschont gewesen. Nun traf es ihn in seiner „Seuchensaison“ erneut: Erst hatte er vier, fünf Matches wegen einer komplizierten Zahn-OP aussetzen müssen. Jetzt – nach seinem guten Einsatz gegen Leipzig und Delitzsch – trifft es ihn zum zweiten Mal.

Für die Mitspieler ist es ein Schrecken, den sie überwinden müssen: Das Spiel ist schließlich mitten im Gange, es steht 1:1 an Sätzen. Was nun? Sie müssen sich neu finden. Ihre Linie. Trainer Toni Juric gelingt es, seine Mannen zu beruhigen, ihr „Antreiber“ fehlt plötzlich. Und sie lassen tatsächlich nicht nach. Raufen sich unter Begeisterungsstürmen der 300 Fans zusammen: Über 3:3, dem längsten Ballwechsel des Spiels beim 13:12, dann 16:16 und 18:19 (dem ersten Satz-Rückstand) kämpfen sie sich voran. Mühselig, aber bis zum 25:23. Sie führen – in dieser Sondersituation – wider Erwarten tatsächlich 2:1.

Doch dann ist die Luft erstmal „raus“, der SVS-Block funktioniert kaum, niemand nimmt das krumm (auch nicht einige seltsame Entscheidungen des Schiedsrichters). Übliches Volleyballer-Verletzungs-Risiko hin oder her – die Halle steht wie das Gelbe Team noch immer leicht unter Schock durch den nötigen Einsatz des Notarztrios (das sich übrigens, angesichts des für sie offensichtlich unbekannten Getöses in der Volleyball-Halle, beeindruckt zeigte: „Das ist ja toll hier!“). Aber wie gesagt: Luft raus; der SVS ackert in Serie einem permanenten Rückstand von zwei Punkten hinterher: 8:10, 14:16, 15:17, 18:20, letztlich 20:25. War ein Punkt gewonnen, wurde der nächste verloren. Es reichte nicht in diesem vierten Abschnitt.

Erneut – zum vierten Mal in dieser Saison – musste der Tiebreak entscheiden. Und den starteten die Nürnberger souverän; mittlerweile haben sie darin Übung. Über 4:2, 6:4, 7:5 und 9:7 führen nunmehr die Gelbblauen durchgehend mit Zwei-Punkte-Vorsprung, bis sie beim 13:9 und 15:11 die Krallen ausfahren. Die Stimmung in der Halle: tobend. „Wertvollster Spieler“ wird verdient „Pecki“ Stanic. Der Außenangreifer hat mit seinem vierten „Valuable“-Titel mit SVS-Zuspieler Mirko Schneider gleichgezogen. Die Mittelfranken zählen seit Samstag zu den nur drei Teams der 2. Liga, die mindestens neun Siege auf dem Tabellenkonto haben.

Hartes Brot am nächsten Wochenende

Die Freude über Tabellenplatz fünf wollte nach dem Schlusspfiff um 21.47 Uhr allerdings nur halb aufkommen; der Preis war diesmal einfach zu hoch. Umso zuversichtlicher, wie es seine Art ist, zeigte sich Coach Juric: „Die hohe Moral vor allem nach dem Ausfall von Christian war super, ich bin absolut stolz auf meine Jungs. Jetzt müssen wir sehen, dass wir Christian einmal mehr kompensieren.“

Was er meint, ist klar: Die Saison geht auch ohne den unbestrittenen SVS-„Motivator“ weiter. Zu allem Pech müssen die SVSler am kommenden Wochenende gleich zwei Mal auswärts ran: Am Samstag in Stuttgart (dort ist die Zwischenübernachtung), am Sonntag Nachmittag gleich gegen Friedrichshafen. Doch Juric ist sich natürlich sicher, schmunzelt: „Wir werden schon noch ein paar Punkte holen.“ Und wer ihn kennt, weiß, dass er recht behalten wird. Trotz des Schreckens um 20.23 Uhr.